Dianne Reeves und LJJO im Rheingau Musik Festival – Wiesbadener Kurier

Landes Jugend Jazz Orchester feiert 30-jähriges Bestehen mit Jazz-Diva Dianne Reeves
Von Peter Müller
WIESBADEN — Eine begeisterte Jazz-Diva, die große “Kicks & Sticks”-Familie und ziemlich viele Geburtstage. Im sonnenüberfluteten Kurpark feiert das Landes Jugend Jazz Orchester (LJJO) am Sonntagmorgen sein 30-jähriges Jubiläum mit einem herausragenden Konzert. Mittendrin: Der Weltstar Dianne Reeves, die vor lauter Spaß an der Freude sogar ein paar Tränen vergossen haben soll — und am Ende mit stehenden Ovationen verabschiedet wird.
Zwischendurch, nach Benny Goodmans “Sing Sing Sing“, muss sich dann auch Wolfgang Diefenbach mal kurz die Augen trocken wischen: Es gibt ein herziges, ganz persönliches “Happy Birthday” für den Gründer, Arrangeur, Dirigenten und Übervater des LJJO — improvisiert von den “Kicks & Sticks Voices”, gemeinsam mit dem Orchester und der Primadonna des Jazz, die er auf dem Südafrika-Tripp seiner Nachwuchs-Bigband einfach mal angesprochen hatte.
Nun steht sie also mit ganzem Leib und voller Seele in der Konzertmuschel, feiert Diefenbachs Geburtstag und das runde Jubiläum seines Lebenswerks. Eine grandiose Sache für alle Beteiligten. Nicht zuletzt für das Publikum im Kurpark. Denn irgendwie groovt dort mit Dianne Reeves auch das Leben. Für ihr programmatisches Album “Beautiful Life” hat sie, gerade noch frisch mit der Ehrendoktorwürde der New Yorker Juilllard School gekürt, ihren fünften Grammy für das “Best Vocal Jazz Album” des Jahres abgeräumt.
Warum das gute Gründe hat, beweist die 1956 in Detroit geborene Grand Dame auch in Wiesbaden: Diane Reeves, das ist auch neben atemberaubender Virtuosität, Improvisationstechnik, wilden Scats und verblüffend wandelbarem Timbre auch beeindruckendes Charisma. Wenn sie nach dem “Kicks & Sticks”-Warm-up mit dem kubanisch Hüfte kreisenden “Horn of Puente” und dem “Smack Dab in The Middle“-Intermezzo der “Voices”-Fraktion die Bühne betritt, grüßt die pure Präsenz. Und vielleicht die schönste Fußnote des Tages: Von Divenhaftigkeit ist da mal gar nix zu spüren. Im Gegenteil.
Energie der jungen Leute
Dieser Auftritt sei der Höhepunkt ihres Jahres, sagt die Dame, die sonst nie mit Jugendorchestern auftritt, und schwärmt unverhohlen davon, wie sehr ihr der Spirit, die Energie dieser jungen Leute nahe gegangen sei. Dann legt sie eine großartig entschleunigte Version des “Fleetwood Mac/StevieNicks”-Hits “Dreams” hin — und man kann sich trotz Sahara-Temperaturen nicht gegen die Gänsehaut wehren. Diane Reeves ist in der Tat ein Erlebnis. Egal, ob sie nun Sarah Vaughans “After Hours“-Barmelancholie ins Mikro haucht oder fröhlich die legendäre Betty Carter hommagiert: Jeder Song wirkt wie eine Liebeserklärung an die Musik — und ihre Zuhörer.
Das ändert sich auch nicht in der Zweiten Konzertstunde, die das “Kicks & Sticks” mit einer fulminanten Version von Phil Collins´ “Sussudio” eröffnet, bevor Miss Reeves (Mads Baerentzen sitzt nun am Flügel) den Balladen-Klassiker “In a sentimental Mood” und Michel Legrands “Windmills of your Mind” als großes Gefühlskino inszeniert. Am Ende dann “Satiated“, ein brillantes Duett-Stück, in dem sie noch einmal alle Register zieht und das sie auf “Beautiful Life” mit Gregory Porter eingesungen hat. Ihr Partner im Kurpark: Auch ein bärtig-bärig guter Tenor: Christoph Klassen von den “Kicks & Sticks Voices” — es gibt stehend Applaus. Und da kann man sich nur anschließen.
Erschienen im Wiesbadener Kurier am 3. August 2015. Mit freundlicher Genehmigung.